Leserbrief zum Beitrag „Walser zieht eine poetische Bilanz und würdigt Merkel“ im Nordkurier vom 20.11.2018

Die Bundeskanzlerin als Verkündigerin von Allgemeinplatz-Worten

 Bei der Premiere seines Buchs „Spätdienst“ würdigte der Schriftsteller Martin Walser die Redekunst der deutschen Regierungschefin. Dabei lobte er insbesondere „ (d)ie allmähliche Verfertigung ihrer Gedanken beim Reden“, was „für den Zuschauer spannend“ ist. Bekanntlich heißt sprechen, Kontakte herzustellen, Beziehungen einzugehen und damit verbunden, auch Deutlichkeit sowie Verständlichkeit zu vermitteln. Aber die Bundeskanzlerin will meines Erachtens weder Kontakt noch gar Beziehungen, wie man beispielsweise beim „Bürgerdialog“ mit der Kanzlerin in verschiedenen deutschen Städten beobachten konnte. Ihre Sprache ist oftmals unkorrekt und ungenau; klarer Ausdruck ist eher selten. Sprachliche Originalität, Ambitionen und Emotionalität? Fehlanzeige. Angela Merkel will nie zu viel verraten, will ihre Politik nicht wirklich erklären – das verleiht ihren öffentlichen Auftritten Spannung, vor allem, wenn weittragende politische Entscheidungen anstehen. Meistens wird man jedoch enttäuscht: Wieder hat man kaum etwas Konkretes erfahren, wobei die Realität einfach ausgeblendet wird. Die Öffentlichkeit versucht dann, ihre „Ansprachen“ zu deuten; dabei kommt es aber zu Missverständnissen. Ihre politische Sprache ist die der Verkündung und die dazu verwendeten Behauptungen sind vorgefertigte Standardsätze, die auf Stichwort abgespult werden. Viele Redepassagen sind meiner Meinung nach „reine Worthülsen“, die ihr im politischen Sprachgebrauch als unverbindliche Absichtserklärungen dienen, um sich später alle Optionen offen zu halten und sich nicht angreifbar zu machen. Diese linkische Sprache der deutschen Kanzlerin ist unkonkret und fahrlässig und macht Menschen gegen das Gesagte misstrauisch. So sagte sie beispielsweise: „Wenn wir ein Land sein wollen, in dem wir ein Herz für Schwache haben, dann brauchen wir auch ein Herz für Leistung.“  Denn: „So können wir den Starken im Land wieder helfen und dann auch den Schwachen in diesem Land.“ „Wir lassen nicht zu, dass Deutschland an die Wand gefahren wird.“ Nicht jeder Politiker kann über die glänzende Redekunst des ehemaligen  Bundestags- präsidenten Norbert Lammert verfügen. Aber man muss doch erwarten können, dass die Bundeskanzlerin die politischen Entscheidungen präzise und verständlich kommuniziert und dabei Klartext spricht.

 

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