Leserbrief zum Beitrag „Lehrer wird selbst zum Nachsitzen verdonnert„ im Nordkurier vom 25.08.2016

 Lehrer wegen Freiheitsberaubung verurteilt

 Gelegentlich gehen Lehrer mit übergroßer Strenge gegen Schüler vor. Selten wird ein derartiger Fall außerhalb der Schule bekannt. Und noch seltener muss sich ein Lehrer deshalb vor Gericht verantworten. Jüngst allerdings saß ein Musiklehrer einer Realschule in Kaarst wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung auf der Anklagebank des Neusser Amtsgerichts. Letztendlich wurde der Angeklagte zu einer „Verwarnung mit Strafvorbehalt“ verurteilt, zu 1000  Euro Geldstrafe, die entfällt, wenn er eine Fortbildung zum Umgang mit schwierigen Schülern absolviere. Dieses Urteil ist nach meinem Rechtsempfinden nachvollziehbar und erscheint mir angemessen. Die Anordnung des „Nachsitzens“, die die Schüler einer sechsten Klasse verpflichtet hatte, nach der letzten Unterrichtsstunde unter Aufsicht ihres Musiklehrers einen Wikipedia-Eintrag abzuschreiben, war als rechtmäßige Erziehungsmaßnahme zulässig. Denn es galt, Lernrückstände nachzuholen, die auf erheblicher Störung des Unterrichts beruhten. Hier handelte es sich also nicht um eine Freiheitsbeeinträchtigung, so dass die Schüler eine Begrenzung ihrer Entfaltungsfreiheit hinnehmen mussten. Allerdings wäre es unzulässig, die gesamte Klasse kollektiv nachsitzen zu lassen, wenn nicht nachweislich jeder einzelne Schüler an den Störungen beteiligt war. Das „Nachsitzen“ zum Nachholen schuldhaft versäumten Unterrichtsstoffes ist auch nur statthaft, wenn die Eltern der betroffenen Schüler darüber vorher informiert sind. Dies erfolgte jedoch im vorliegenden Fall nicht. Als unrechtmäßige „Maßnahme“ ist allerdings anzusehen, dass der Lehrer seine Schüler durch Versperren der Klassenzimmertür am Verlassen des Raumes gehindert hatte, um sie so zu zwingen, den Text abzuschreiben. Auch das unsanfte Zurückstoßen eines Schülers durch den Musiklehrer ist nicht gerechtfertigt und stellt eine „körperliche Züchtigung“ dar, denn der Lehrer befand sich in keiner Notwehr-oder Notstandssituation. Trotzdem sprach der Richter ihn vom strafrechtlichen Vorwurf der Körperverletzung im Amt frei.

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