Leserbrief zum Beitrag „Lehrer in Deutschland werden immer häufiger Opfer von Gewalttaten“ im Nordkurier vom 12./13.11.2022

Gewalt gegen Lehrkräfte gehört zum Schulalltag

Nach einer repräsentativen neuen Forsa-Umfrage unter 1308 Schulleitern haben sowohl die verbalen als auch die tätlichen Angriffe auf Lehrer bundesweit drastisch zugenommen. Insgesamt teilten zwei Drittel der Schulleiter mit, dass es in den letzten fünf Jahren an ihrer Schule Fälle gab, in denen Lehrkräfte von Schülern direkt“ beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt“ wurden. Von körperlichen Angriffen wie „Schlagen, Stoßen, Boxen, Treten, mit Gegenständen werfen, an den Haaren ziehen,“ berichtete ein Drittel der Schulleiter. Tätlichkeiten gegen Lehrer gab es überdurchschnittlich häufig an Förder-und Sonderschulen sowie an Grundschulen. Fakt ist: Körperliche und verbale Gewalt gegen Lehrkräfte ist an der Tagesordnung und wird in Zusammenhang mit der Umsetzung der Corona-Maßnahmen zu einem immer größeren Problem in den Schulen. Bei Gewaltvorfällen fühlen sich allerdings viele Lehrkräfte alleingelassen; Schulleitungen, Schulaufsichtsbehörden und Kultusministerien nehmen sich dieser Problematik offensichtlich nicht ausreichend an. So passiert es viel zu oft, dass sich die Schulleitung in Notsituationen aus Zeitmangel oder wegen zu hoher Arbeitsbelastung nicht schützend vor ihre Kollegen stellt. Und das, obwohl der Schulleiter verpflichtet ist, in Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht dafür zu sorgen, dass kein Lehrer seiner Schule während seiner Schulzeit psychisch oder physisch zu Schaden kommt. Stattdessen wird versucht, unangenehme Vorfälle unter den Teppich zu kehren. Fast die Hälfte der befragten Schulleiter hält die Schülergewalt gegen Lehrer für ein „Tabu-Thema“. Gewaltdelikte gegen Lehrkräfte werden häufig als Bestandteil des Lehrerberufs abgetan oder aus Angst vor einem Ansehensverlust der Schule als bedauerliche Einzelfälle bagatellisiert beziehungsweise verschwiegen. Manche Lehrkräfte trauen sich auch nicht, zu ihrem Schulleiter zu gehen, weil sie befürchten, dass ihnen ein solcher Vorfall als individuelles Versagen ausgelegt werde. Um hier gegenzusteuern, muss es gelingen, die Debatte über Gewalt gegen Lehrer zu enttabuisieren. Notwendig ist, Gewaltvorfälle verpflichtend zu dokumentieren, diese sofort der Schulleitung zu melden und sie zeitnah sowie in profes- sionellen Teams aufzuarbeiten. Dabei müssten Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Lehrer und  Psychologen eng zusammenarbeiten, um auftretende Konflikte in den Griff zu bekommen. In schwierigen Notsituationen sollten die Lehrer beraten und zudem psychologisch sowie juristisch betreut werden. Erforderlich ist auch eine konkrete Handreichung mit Präventionshinweisen und verbindlichen Handlungsanweisungen für den Umgang mit Gewaltdelikten. Denn gewalttätige Schüler stellen oftmals eine erhebliche Belastung im Schulalltag dar, so dass unsichere Lehrer eine regelrechte Angst vor dem Unterricht in schwierigen Klassen  entwickeln.  Autoritätsverlust, Rückzugs- verhalten und Dienstunfähigkeit vonseiten der attackierten Lehrer sind dann die fatalen Folgen. Auch die Eltern sind in die Pflicht zu nehmen: Sie müssten zu Hause die Bedeutung von Schule und Unterricht sowie die Wertschätzung gegenüber Lehrern viel stärker vermitteln.

 

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