Leserbrief zum Beitrag „Lehrerverband übt harte Kritik” im Nordkurier vom 16.12.2020 Digitaler Fernunterricht kann Schulunterricht nicht ersetzen

Es war zu befürchten, dass die wachsende Zahl der Corona-Infektionen in der Bevölkerung sich auch irgendwann in den Schulen zeigt, obwohl die Prozentzahlen insgesamt hier im Vergleich zu der Ausbreitung des Virus in der Gesellschaft eher gering sind. Verschiedene Studien zeigen auch, dass die Schließung von Schulen keinen großen Einfluss auf die Eindämmung des Infektionsgeschehens hat. Womöglich hat oftmals politischer Aktivismus und nicht wissenschaftliche Stringenz zu Schulschließungen geführt. Trotzdem ist die Ungewissheit der künftigen Entwicklung für Lehrer, Schüler und Eltern  schwer auszuhalten. Es ist offensichtlich, dass in den Wochen seit Schließung der Schulen zu wenig unternommen worden ist, um sicherzustellen, dass der Präsenzunterricht an Schulen mithilfe geeigneter Infektionsschutzmaßnahmen zur Kontaktreduktion auch weiterhin stattfinden kann. Zudem wäre auch genug  Zeit gewesen, ländereinheitliche Regeln für einen Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht in weiterführenden Schulen zu entwickeln, die ab einem bestimmten 7-Tage-Inzidenzwert angewendet werden könnten. Unerträglich ist aber auch, dass die ohnehin schon schwere Aufgabe, einen Präsenzunterricht unter Corona-Bedingungen aufrechtzuerhalten, durch tägliches Gegeneinander in der öffentlichen Debatte erschwert wird. So halten Lehrerverband  und Lehrergewerkschaft die Schulöffnungen für riskant oder für eine Illusion. Sie fordern, die Klassen der weiterführenden Schulen zu halbieren. Die eine Hälfte soll in der Schule unterrichtet werden, die andere im Distanzunterricht via Internet. Sie plädieren für den Wechselunterricht, weil sie fürchten, dass die Lage an den Schulen außer Kontrolle gerät. Im Grunde wissen sie ganz genau, dass ein Wechselmodell ebenso ungerecht ist wie die Verlegung des Unterrichts in den digitalen Fernunterricht. Kinder aus privilegierten Elternhäusern werden darunter nicht leiden. Sie haben Eltern, die sie täglich unterstützen können. Sie sind gut mit digitalen Geräten ausgestattet und in der Lage, konzentriert und selbstreguliert zu lernen. Die benachteiligten Kinder kommen beim Distanzunterricht zu kurz oder werden schlicht vergessen. Sie können sich beim Lernen schlecht motivieren und brauchen Instruktion, Feedback und individuelle Begleitung durch den Lehrer – per Video, per Mail und auch per Telefon. Der provisorische Onlineunterricht bedeutet immer auch deutlich weniger Lernstoff, enorme Defizite bei der Wissensaufnahme und soziale Nachteile für die Kinder. Es geht jetzt darum, Schüler davor zu bewahren, durch Corona ihre Bildungschancen zu verlieren. Und eines ist auch ganz sicher: Wer jetzt ab dem 11. Januar 2021 auch weiterhin für Schulschließungen oder für den Distanzunterricht votiert, muss sich darüber im Klaren sein, dass im Jahr 2021 weder eine mittlere Reife noch ein Abitur abgelegt werden können. In diesem Fall müssten alle Schüler das gesamte Schuljahr wiederholen. Wenn es dem Lehrerverband und der Lehrergewerkschaft in Pandemiezeiten wirklich um die Bildungsqualität und die Zukunftschancen der Schüler ginge, dann müssten sie jetzt gemeinsam mit den Schulen und Bildungspolitikern auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts konstruktiv an der Aufrechterhaltung des normalen Schulbetriebs arbeiten.

 

 

 

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